Spaltensturz - Großes Wiesbachhorn (3564m)
Hier die Details zu meinem 1. Spaltensturz am 11.04.2015 um ca. 10:30:
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Verlauf: Nach wochenlanger intensiver Planung (Karten, Sommer- und Winterfotos, Google Earth, Internet, alte Tourenführer) und Beobachtung (Wetter, Schnee, Webcams, Lawinenlageberichte) beschlossen wir am Samstag die langersehnte Tour aufs Wiesbachhorn übers Sandbodenkees anzugehen. Wir starteten bei lauer mondheller Nacht um 3:00 mit den Rädern am Schranken kurz nach Fusch. Von hier gings bis unterhalb der Vögerlalm, dann zu Fuß weiter nach W. Bald konnten wir die Skier anschnallen und sehr mühsam über gewaltige Lawinenkegel in Richtung Gletscherbruch/Heidnische Kirche ansteigen. Auf ca. 2000m bei Tagesanbruch wechselten wir auf Steigeisen. Hinterm Gletscherbruch vorbei ging`s dann hinauf auf die herrliche Gipfelflanke und hier bis zum Gipfelgrat. Ca. 200m vorm Gipfelkreuz beendete ich die Tour, weil der Grat nicht unheikel und 10:30 als idealer Zeitpunkt für die Abfahrt erschienen. Am Skidepot ca. 300m entfernt vom Gipfelkreuz auf 3500m baute ich mein Board zusammen und wartete auf Edi, der wenige Minuten nach mir das Skidepot erreichte. Als er sich neben mich stellte brachen wir plötzlich ein und stürzten beide in eine Gletscherspalte. Ich fiel ca. 7-8m, Edi 4-5m tief bis wir beide je auf einer schmalen Schneebrücke zu liegen kamen. Sofort war klar, was passiert war, beide sammelten wir uns, riefen uns zu, überprüften die eigenen Körperfunktionen (beide ok) und versuchten aufzustehen. Soweit war nun einmal jeder sicher. Ich zog die Steigeisen an, warf Edi eine Reepschnur zu, mit der er mir seinen Pickel zuwarf, dafür bekam er im Gegenzug meinen Rucksack. So konnte ich noch knapp 2m auf ein breiteres Podest steigen bevor für mich Endstation war. Auch Edi versuchte höher zu steigen, es bestand die Hoffnung selbst aus der Spalte zu gelangen. Er musste aber erkennen, dass das mit 1 Pickel in Eis und Grieß nicht möglich war. Somit war klar, dass wir aus dieser Situation nicht mehr selbstständig herauskommen. Glücklicherweise hatten wir Handyempfang und alarmierten die Bergrettung. Wir schilderten die Lage, gaben auch die GPS-Daten des Standortes durch. (Wir hatten das GPS dabei um bei der Abfahrt falls Nebel aufziehen sollte sicher nach unten zu finden) Dann begann das Warten, stehend auf einer fragilen Schneebrücke, A3-Format groß, links und rechts ging`s ins Bodenlose (ca. 50-70m). Da es noch vormittags war und noch gutes Flugwetter herrschte, waren wir zuversichtlich bald gerettet zu werden. Der erste Hubschrauber überflog uns auch bald, der Kontakt zu den Rettern war gut. Dann musste aber ein Spezialhubschrauber angefordert werden, das Wetter verschlechterte sich, wir wurden besorgt. Eine Bergung zu Fuß wurde in Erwägung gezogen, jedoch auf Grund potentieller Gefährdung der Retter nicht durchgeführt (Kein Menschenleben kann gegen ein anderes eingetauscht werden), somit blieb als einzige Möglichkeit der Rettung der Hubschrauber. Bald war klar, dass wir die Nacht stehend verbringen mussten. In dieser Zeit begann bereits die mediale Berichterstattung, SMS-, Mail- und Telefonkontakt zu Rettern, Familie, Freunden wurde intensiviert unter Berücksichtigung des Akkuverbrauchs. Die Nachtstunden waren die Hölle, wir durften nicht einschlafen, konnten nur stehen, ein zur Seitekippen hätte den sicheren Tod bedeutet, die Stirnlampen halfen ein wenig. Die Körper kühlten kontinuierlich aus, die Gedanken wurden schwerer, die letzten Müsliriegel wurden, die Getränke waren aufgebraucht. Es begann zu schneien, nur nicht auf die Uhr blicken, durchhalten, wir gehen da gemeinsam raus. Um 5:30 erfolgte der erneute Kontakt zu den Rettern, es schneite noch immer, die Lage wurde immer hoffnungsloser, noch eine Nacht hätten wir wohl nicht überlebt. Gott sei Dank wurde es langsam heller und wir konnten dann doch noch den Rettern mitteilen, dass Flugwetter herrschte. Hochprofessionell und rasch bargen sie uns nach 22h aus der Spalte, zuerst Edi, dann mich (Alter vor Schönheit ;-) ) und flogen uns ins Tal.
WILLKOMMEN IM LEBEN :-)
Ausrüstung: Schaufel, Pieps, Sonde, Reservewäsche, ABS-Rucksack, GPS, Fäustlinge, Daunenjacke, Steigeisen, Pickel, Reepschnur;
Was fehlte: Eisschrauben, Biwaksack, Seil, Gurt, leider im anderen Rucksack vergessen Aludecke, Dreieckstuch
Diskussion:
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•Wir glauben im Anstieg alles richtig gemacht zu haben, nichts desto trotz ist uns ein Unfall passiert. Wir haben nicht mit einer Spalte unmittelbar am Grat gerechnet. Aufs Gehen am Seil haben wir nach Absprache bewusst verzichtet, da wir eine 2er Seilschaft nicht für zielführend halten, und die im April sehr wahrscheinlich gut geschlossenen Spalten (bis auf die eine) am Aufstiegsweg alle in der Planung berücksichtigten. Ein Seil im Rucksack hätte uns mit Eisschrauben vielleicht ein eigenständiges Herausklettern ermögliche können, wenngleich das Setzen von Eisschrauben im Grieß wohl schwer möglich gewesen wäre und meine Pickel am Spaltenrand liegen geblieben sind. Ein Gehen am Seil hätte uns nichts genützt wir wären mit dem Seil abgestürzt, noch dazu handelt es sich um eine Längsspalte im Gratverlauf (bitte in Zukunft für weitere Begehungen berücksichtigen!!!), die aber wohl in anderen Winter gut eingeschneit ist. Es ist zu befürchten, dass auch an anderen Gletschern ähnliche Probleme durch Schneemangel auftreten?
In Zukunft werden auch Seil, Gurt, Eisschrauben und Biwaksack eingepackt!!!
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•Die Lawinengefahr mit 2 für diesen Tag, ansteigend auf 3 nachmittags war für uns vertretbar, unterhalb des Gletscherbruchs (2500m), war bereits alles entladen, darüber gab`s noch Triebschneepakete und gesetzten Neuschnee, die aber unserer Meinung nach vormittags stabil waren, auch im Lagebericht war von Störung durch große Zusatzbelastung die Rede. Bergretter und Experten sahen das anders, vielleicht aus gutem Grund?
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•Über die Medienberichterstattung bin ich teilweise zutiefst verärgert, denn es darf meiner Meinung nach nicht sein, dass Angehörige aus den Medien erfahren, was passiert ist! Es gibt kaum was Schlimmeres als wenn man nicht weiß, ob man den nächsten Morgen erlebt und seine Oma anruft um sicherzugehen, dass man eh nicht in der Gletscherspalte sitzt! Mit der weiteren Berichterstattung auch mit Kritik und anderen Sichtweisen kann ich umgehen, habe mich ihr auch gestellt, aber die Diskussion im ORF Radio Salzburg finde ich beschämend. Meine Person wurde anhand dieses Vorfalls als „Musterbeispiel“ für den leichtsinnigen rücksichtslosen Extremisten schlechthin gemacht und verurteilt ohne mir oder wenigstens anderer Beteiligten z.B. Rettern die Chance zu geben die Lage vor Ort zu schildern. Es fehlt vollkommen an Empathie und Respekt für die Beteiligten sowie Objektivität.
HERZLICHEN DANK an Edi, den allerbesten aller Bergkameraden, einen Freund im Geiste, mit dem mich viel mehr verbindet als das stärkste Seil auch wenn das Leben an einem seidenen Faden hängt
HERZLICHEN DANK an meinen Bruder, den ich als ersten der Familie kontaktierte und dem ich damit ordentlich was umgehängt habe, sowie den Eltern und anderen Familienmitgliedern, die leider viel durchmachen müssen
HERZLICHEN DANK an alle Freunde, die uns Mut zusprachen und ebenso eine schlaflose Nacht verbrachten um im Geiste bei uns zu sein, das ist unglaublich berührend
HERZLICHEN DANK an die Retter, insbesondere Paul und Markus stellvertretend für alle, die ihr Allerbestes gaben um uns lebend zu bergen